Darum erntet Spendenaufruf auch Kritik Aus dem TV zurück nach Halberstadt

Versteigert in einer TV-Show, soll ein Bild des Malers Walter Gemm nun zurück nach Halberstadt geholt werden. Mehrere Akteure haben dafür eine Spendenaktion ins Leben gerufen – und können ersten Teilerfolg vermelden...
 

Sie kehrt an ihren Entstehungsort zurück, die von Walter Gemm gemalte Ansicht des Halberstädter Holzmarktes. Schon am Donnerstag wird sie, nur wenige Gehminuten vom Motiv entfernt, dem Städtischen Museum übergeben. „Über das Wochenende sind genug Spenden zusammengekommen, um den Kaufpreis abzudecken“, berichtet die Museumschefin Antje Gornig. „Ich freue mich, dass das so schnell ging. Die Stadt kann sehr, sehr stolz drauf sein, wie spendenfreudig die Halberstädter sind.“

Die ZDF-Show „Bares für Rares“ vom 22. September war der Auslöser für die Spendenaktion. In der Sendung stellte ein Paar aus Hanau Horst Lichter und den Antiquitätenhändlern ein Erbstück vom Vater vor: ein großformatiges Gemm-Gemälde. Der Händler, Christian Vechtel, ergatterte das Bild für 600 Euro.

Halberstädter richten Bitte an Museum
Den Verkauf verfolgten offensichtlich einige Halberstädter am Fernseher. „Es haben sich mehrere Leute bei uns gemeldet, die sich wünschten, dass das Bild nach Halberstadt zurückkehrt“, berichtet Antje Gornig. Ein Wunsch, den die Museumsleiterin teilte. Schnell fand sie Unterstützer für das Anliegen: den Geschichtsverein der Stadt und Daniel Szarata (CDU), Landtagsabgeordneter, Stadtrat und ab Januar Oberbürgermeister Halberstadts.

Um Geld für den Kauf und die Restaurierung sammeln zu können, wurde ein Video als Spendenaufruf gedreht – mit dem Holzmarkt im heutigen Zustand als Hintergrund. In nur wenigen Tagen sind 41 Prozent der erwünschten Summe, insgesamt 3500 Euro, auf der Spendenplattform betterplace.org zusammengekommen.

Als zu hoch schätzt der Halberstädter Antiquitätenhändler Karl Heinz Schmahl diesen Preis ein. „Gemm hat Tausende Bilder gemalt. Von der Qualität her gehört dieses nicht zu seinen besten“, lautet sein Urteil. Zudem hätten Gemms Arbeiten in anderen Regionen keinen so hohen Stellenwert. Im Harz, insbesondere in Halberstadt, sei das jedoch anders, räumt er ein. Hier könne man für Bilder des Malers höhere Preise erzielen. Dennoch: „Mit aller Heimatliebe ist es vielleicht nach der Restaurierung 1500 Euro wert“, sagt Schmahl. Er könne sich nicht vorstellen, dass es in den nächsten Jahren sehr im Wert steigt.

Was das Bild wertvoll mache, sei aber weder das Motiv – Gemm hat den Holzmarkt häufig gemalt – noch die Qualität, sondern sein Entstehungsjahr, 1930. „Es wurde zu einer Zeit gemalt, als der Holzmarkt tatsächlich noch so aussah“, erläutert Antje Gornig. Die Fachwerkhäuser, der Platz und der Brunnen – alles beim Bombenangriff am 8. April 1945 zerstört – seien nicht aus der Erinnerung heraus entstanden oder von Postkarten abgemalt worden. Das Gemälde gebe ein realistisches Abbild des Holzmarktes vor dem Krieg wieder. „Wir haben viele Gemm-Bilder im Bestand. Aber keines aus so frühen Jahren seines Schaffens“, sagt Antje Gornig. Dennoch solle das Gemälde, dessen Restaurierung mindestens drei Wochen dauern werde, seinen Platz nicht im Museum finden, sondern als Leihgabe in der Europaschule „Am Gröpertor“.

Ein Fakt, der nicht nur auf Begeisterung stößt. „Es ist äußerst lobenswert, dass sich ein städtischer Verein um den Kauf jenen Gemäldes bemüht. Das jenes dann einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll, ist ja irgendwie selbstverständlich. Jedoch, was uns hier etwas schlecht aufstoßen lässt, ist die Wahl des Ausstellungsorts“, meldet sich Dirk Barner im Namen des Elternrates der Gemm-Schule bei der Volksstimme-Redaktion. „Den Ruf der Schule ‚Am Gröpertor‘ in allen Ehren, aber dass man hierfür die Schule, die den Namen des Künstlers trägt, außen vor lässt, ist nicht gerade die feine englische Art.“

Verständnis für Kritik aus der Gemm-Schule
Eine Kritik, die Daniel Szarata nachvollziehen könne. „Aber nur auf den ersten Blick“, sagt der Politiker. Immerhin seien in der Gemm-Schule bereits einige Gemm-Bilder zu sehen. Darunter befände sich auch eine Ansicht des Holzmarktes, drei mal drei Meter groß, ergänzt Antje Gornig. „Wir fanden die Idee schön, dieses Bild einer Schule zur Verfügung zu stellen, die noch kein Gemm-Gemälde hat.“ Zudem sei die Gröpertor-Schule ein Ort, an dem häufig Menschen zusammenkommen – nicht nur für Schulveranstaltungen. So findet der Kreistag in der Schule statt. „So ein Bild gehört in die Öffentlichkeit“, betont Antje Gornig. Allerdings müssen bei der Wahl des Ausstellungsortes auch immer versicherungstechnische und -rechtliche Aspekte bedacht werden, informiert sie. Diese erfülle die Gröpertor-Schule.

Auch für Volker Bürger (CDU), Vorsitzender des Geschichtsvereins und des Stadtrates, ergibt der geplante Bestimmungsort Sinn. „Das Bild dokumentiert, wie Halberstadt mal ausgesehen hat. Es ist ein wichtiges Zeitdokument“, sagt er. Die Stadt habe sich seit 1930 stark gewandelt. „Sie wird nie wieder so aussehen, wie damals.“ Doch das Gemälde solle nicht nur anregen, in Nostalgie zu schwelgen. „Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten eine Menge erreicht und müssen uns nicht verstecken“, betont Bürger. Auch dafür solle das Bild stehen. Und da bei Sitzungen des Kreistages Mitglieder aus anderen Orten und Städten des Harzes teilnehmen, strahlen die Wirkung und Geschichte des Bildes über die Stadtgrenzen hinaus aus.

Das sei bereits jetzt der Fall. So haben sich Menschen aus ganz Deutschland bei Verein und Museum gemeldet, die den Erwerb des Holzmarkt-Bildes unterstützen wollen, berichten Bürger und Gornig. Viele der Anrufer und E-Mail-Schreiber seien Althalberstädter.

Ebenso meldeten sich vermehrt Leute, die auch ein Gemm-Bild im Keller oder Dachboden gefunden haben. Die Karten stehen also gar nicht schlecht, dass weitere Gemälde in die Heimatstadt des Malers zurückkehren, sagt Volker Bürger. Und vielleicht werde eines davon dann wieder der Gemm-Schule zur Verfügung gestellt.

Aktuell liegt der Fokus auf der Holzmarkt-Ansicht aus der TV-Show. Diese soll schnellstmöglich der Restauratorin Roswitha Dreysse in Quedlinburg übergeben werden. Damit diese mit der Arbeit beginnen kann, werden weitere Spenden benötigt, sagt Antje Gornig. „Ich bin optimistisch, dass wir das fehlende Geld ebenfalls schnell sammeln.“ Sie hofft, dass das Gemälde so schon zu Beginn des Jahres den Halberstädtern präsentiert werden kann. Möglicherweise, so sagt Daniel Szarata, erst einmal an einem öffentlichen Ort, bevor es seinen endgültigen Platz in der Schule bekommt.

Gespendet werden kann auf:

www.betterplace.org

sowie per Banküberweisung an den Geschichtsverein für Halberstadt und das nördliche Harzvorland e.V., Harzsparkasse, IBAN: DE92 8105 2000 0320 1254 91

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